Auf den Hund gekommen
Seit mittlerweile gut drei Jahren zählt eine ältere Pinscher-Dame mit zur Familie. Sozusagen geerbt, geleast.
Sie ist lieb, fängt an zu gehorchen und ist sehr schmusig. Sie ist mein "Leasing-Schatten" geworden.
Trotz meiner gesundheitlichen Beschränkungen fordert sie mich mit 3-5 Spaziergängen und erlaubt mir
interessante Einblicke in die Psyche einer Hundedame. Ich kann zwar in dieser Zeit nix programmieren, aber sonst nimmt
sie immer Teil an meinem Tun und liegt in Kraulreichweite neben dem Schreibtisch. Sie ist eine Bereicherung meines sonst doch
sehr kopflastigen Lebens.
Klar, sie ist durch und durch opportunistisch- ein echter Parasit, aber eben auch unmittelbar, direkt, unverfälscht.
Verkopft ,wie ich nun mal bin, habe ich parallel angefangen mir entsprechende Dokumentationen anzuschauen
was Hundeerziehung etc. anbelangt. Nicht, dass ich das bei meiner Fellnase bräuchte, aber bei den zahlreichen
Begegnungen in der Nachbarschaft ist das Wissen recht hilfreich. Dass heißt nicht, dass ich alles richtig mache.
Ich bin wohl nicht konsequent genug, aber wir können ohne Leine (erlaubt nach § 33 NWaldLG und es gibt keine Rasseliste NHundG,
keine FußgängerZone, Geschäft, öffentliches Gebäude oder Verkehrsmittel)
und ohne Streß(!) spazieren gehen, was ich nicht von allen Hunden nebst menschlichen Begleitern sagen kann
(meine Beobachtung und Interpretation, vielleicht ist das für sie ja auch normal).
Allerdings haben die zahlreichen Filmchen in mir ein Verständnis geweckt, was ich zuvor mangels eigener Erfahrung nicht hatte.
Immer wenn ich mir emotional bewegende Szenen anschaute, habe ich das mit meinen Erfahrunge mit meinem Hund verglichen.
Schon erstaunlich, wie meine Wahrnehmung, mein Empfinden, meine Empathie sich verändert hat. Und ebenso erstaunlich,
wie das auf Gegenseitigkeit beruht ( meine Interpretation, ja ok). Sie ist noch verschmuster, noch klarer in ihren
"Aussagen", noch selbstbewußter geworden. Ich freue mich darüber, dass ich ihr noch ein schönes Restleben ermöglichen
kann, denn ihre Historie war wohl nicht immer so toll, wie einige Verhaltensweise, die auf Traumatisierungen
hindeuten, zeigen.
Die meist liebevolle Interpretation des Hundeverhaltens und positive Einstellung zu den Hunden durch die Trainer
lassen mich meine eigene Fellnase, aber insbesondere auch die der Nachbarn besser verstehen.
Die Körpersprache der Hunde zu interpretieren ist schon erstaunlich, und ich habe da ja gar keine Erfahrung.
Ich kannte mich mal mit Pferden aus, so eher aus dem Bauch heraus, nun lerne
ich es mit Hunden, meist auch eher intuitiv. Allerdings ist es schön, wenn meine "intuitiven Interpretationen" von den Profis
bestätigt werden. Nicht, dass ich das bei meiner Fellnase bräuchte, uns verbindet etwas. Aber ich lerne gern dazu.
Dadurch ist meine Unsicherheit im Umgang mit ihr weniger geworden. Ich erkenne schneller ihre Grenzen, wo ich
übergriffig würde und was "normal" ist und "hundisches" Verhalten.
Ich habe auch aufgehört sie vollzutexten. Ein Blick, eine Geste, Körpersprache reichen völlig aus, wir verstehen uns
oder besser sie interpretiert mich. Nur wenn ihr Fokus nicht bei mir ist, sie sich verschnüffelt hat oder dergleichen,
dann ist mal ein Kommando angesagt. Ich weiß, Hundetrainer werden sich bei uns die Haare raufen, aber für uns
reichts und es klappt. (Es hat sich herausgestellt, dass eine der mir auch aus anderem Zusammenhang bekannte Halterinnen
von zwei großen Hunden in der Nachbarschaft Trainerin ist(s.unten).Gehört zur Kategorie ausgezeichnete Hunde und Halter/in.
Ich wußte dass nicht und sie hat uns wohl beobachtet, wie wir zwei Alten durch die Gegend trotten.
Als ich erfuhr, dass sie Trainerin ist und meinte, dass sie uns ja mal coachen könnte, meinte sie nur,
dass hätten wir zwei nicht wirklich nötig. Das war ein sehr nettes und liebes Kompliment für meine Fellnase.
Sie, also mein Hund, "sagt" mir, wenn sie auf den Schoß will und wann sie es nicht mag.
Sie sagt mir wolang ihr(!) Spaziergang gehen soll.
Sie respektiert meinen(!) Spaziergang also wenn wir mal- selten aber immerhin- in der Stadt sind und Leine benötigen.
Und das haben wir kaum oder eigentlich gar nicht trainiert (jedenfalls aus meiner Sicht).
Sie sucht Schutz bei mir, wenn - zumeist junge - Hunde übergriffig werden. Und wenn der Halter es nicht macht,
dann korrigiere ich die Hunde.
Hunde kommen zu mir, auch wenn ich ihnen zuvor ihre Grenzen aufgezeigt habe.
Je kleiner die Hunde, um so "frecher" sind sie. Weil die Halter sie nicht begrenzen.
Aber es gibt auch Vorbilder in meiner Nachbarschaft, große Hunde, "kleine" Halter, aber erstklassiges Benehmen der Hunde!!!
Ich bewundere das, gerade weil es große und bewegungsfreudige Hunde sind; ich hätte vermutlich nicht die Geduld und
die körperliche Konstitution für die Welpen und deren vieles Training.
Meine Fellnase war ja schon alt als sie zu uns kam. Ich sage das auch sehr deutlich den (tja es sind alles) Halterinnen.
Finde ich echt klasse. Super Sozialisierung mit Hunden. Klasse Fokussierung auf Halter. Aber Rabauken, wenn sie es sein dürfen!
Das umgekehrte Beispiel gibt es auch, kleiner Hund gro... nun ja Halterin, ein Freund meiner Fellnase.Nur um der
Wahrheit und dem Ausgleich gerecht zu werden, aber deutlich in der Minderheit.
Also nicht nur der eigene Hund ,sondern auch die Beobachtungen und die Erfahrungen mit den anderen Hunden und
deren Begleitern ist eine Bereicherung für mich.
Gerade Letztere geben mir Beobachtungsmöglichkeiten, die mir ohne Hund verwehrt wären (Ich würde dann
halt am Schreibtisch sitzen). Es ist direkte,
unmittelbare und unverfälschte Lebensäußerung, die die Halter an den Tag legen. Macht, Liebe, Verständnis, Unvermögen,
Unsicherheit.. .alles findet sich wieder im Umgang mit den Tieren. Ich beobachte es nur, beobachte die Tiere und
manchmal finde ich es zum kotzen und machnmal zum feiern (s. oben).
Blöder Weise solidarisiere ich mich leichter und lieber mit den Hunden, die können nichts für ihre Begleiter...
Seit einiger Zeit ist mein Sohn, der nicht bei mir wohnt, ebenfalls Teil ihres Rudels geworden. Sie freut sich sehr,
wenn sie ihn sieht. Es ist rührend zu beobachten, wenn er kommt. Sie "muckeln" mit einander, was immer das für die
beiden bedeutet, sie genießt es jedenfalls. Anfänglich schaute sie immer, ob ich das auch ok finde und nicht
eifersüchtig werde (meine Interpretation), aber mittlerweile genießt sie es, auch in meiner Gegenwart, hingebungsvoll.
Mein Sohn scheint sie ebenfalls zu mögen ( er ist eh ein Tiernarr) und vermittelt das wohl auf eine intuitive direkte
Weise, so dass sie ihm nicht widerstehen kann. Ich kann sie bei ihm "parken", ohne dass ihr Separationsstreß überhand nimmt.
Das ist für mich sehr beruhigend, denn meine Bindung an das Tier ist auch sehr stark geworden.
Sie leben im Jetzt!